Wie schon im vorletzten Artikel angetönt, sind sich Wirbelkastenbruch und Kopfbruch sehr ähnlich. Nur ist in diesem Fall der Wirbelkasten samt Schnecke ( Kopf ) komplett vom Hals weggebrochen. Da kommt man um den Bau eines neuen Halses nicht mehr herum. Denn die Flächen, mit denen Hals und Wirbelkasten verbunden sind, reichen für eine Verleimung nie aus.
Also wird der Kopf auf einen sogenannten Anschäfter aufgesetzt. Dazu muss ein luftdicht passender Schacht mit einem konischen Verlauf in den originalen Kopf gearbeitet werden. Die Wirbelkastenwände werden um ihre halbe Dicke weggeschnitten, um dem neuen Teil genügend Halt zu gewähren. Auf der Unterseite wird die Fläche total eben gehalten um ebenfalls festen Halt zu schaffen für die Aufnahme von 120 Kilo Saitenzug. Die Arbeit muss perfekt sein, denn der 100%ige Kontakt von neuem und altem Holz entscheidet über Stabilität und Belastbarkeit dieser Technik. Zudem gilt es, auch optisch einwandfrei zum bestehenden Lackbild zu arbeiten. Und da gehört eine saubere Naht dazu.
Ein grob ausgeschnittener Halsteil aus altem, abgelagertem Ahorn wird passend hergerichtet und auf der Kopfseite sauber im richtigen Konus zugehobelt. Noch entscheidet man nicht über die genaue Länge des Halses und lässt überall kräftig Holz stehen. Der Konus wird nun dem Halsschacht angepasst und beide Teile werden mit Zulagen, vielen Zwingen und dem richtigen Leim zusammengebracht. Man hüte sich, diese Arbeit zu unterschätzen. Der Konus wird durch die Kraft der Zwingen und dem flüssigen Leim gerne verschoben. Schon mancher Meister hat hier dazugelernt und eine Trockenübung ohne Leim hat noch niemandem geschadet. Vor allem genaue Zulagen und eine gute Planung sind unerlässlich.
Nach dem Entfernen der Zwingen sieht das schon eher nach einem schönen Kontrabass Hals aus. Sehr gut sichtbar nun die auslaufende Bauweise des Anschaefters. Jetzt gilt es, den Wirbelkasten wieder aus dem neuen Halsblock heraus zu stechen und die Löcher für die Mechaniken neu zu bohren. Eine Arbeit, die zwar Fingerspitzengefühl erfordert, aber recht befriedigend ist, da man den Fortschritt der Arbeit mit jedem Handgriff sehen kann. Den alten Hals hat man vorsichtig aus der Schachtel gelöst und gebraucht ihn nun als Messvorlage. Denn der Musiker soll sich mit dem neuen Hals wie zu Hause fühlen und Mensur und Dicke des Halses müssen genau stimmen. Zudem muss auch der Halswinkel, die Position des neuen Halses im Körper des Kontrabasses, perfekt sein.
Der Wirbelkasten ist nun ausgestochen und die Löcher zur Aufnahme der Mechaniken sind neu aufgebohrt. Mit jedem Handgriff nähern sich die Arbeiten dem Ende zu. Sehr gut sichtbar sind nun, da das Holz noch weiss ( das heisst: unlackiert ist ) die zart auslaufenden Spitzen des neuen Halses, die in den Wirbelkasten münden. Diese Technik ermöglicht es, eine grosse Leimfläche zu schaffen und mit diesem Kontakt maximale Festigkeit zwischen dem alten Kopf und dem neuen Hals zu schaffen. Der geneigte Leser wird sich jetzt wohl fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn man gleich einen neuen Hals eingebaut hätte. Da aber die Schnecke wie die Unterschrift des Erbauers gilt, ist es unbedingt notwendig, den Körper mit seinem passenden Haupt zu krönen. Und da ist die Technik des Anschäftens zwar aufwendig, aber unübertroffen.
In diesem Sinne, bis gleich wieder mal, Euer
Giorgio Pianzola, Kontrabassbauer
© Copyright Text und alle Fotos, G. Pianzola, Bern 2013