Die statischen Kräfte, die auf den Kontrabass wirken, sind enorm. Der gewaltige Saitenzug von circa 120 Kilo läuft über zwei grosse Winkel und generiert zusätzlichen Druck. Einerseits auf den Steg, der mit dem Bassbalken und dem Stimmstock diesem Vektor entgegenwirkt, andererseits auf den Obersattel, über den alle Saiten auf die Stimmwirbel gelenkt werden, die diesen Druck auf die Seitenwände des Wirbelkasten`s ableiten.
Jeder Fachmann weiss um die verheerende Bedeutung der zwei kleinen weissen Flächen, die beidseitig unter dem Obersattel hervorstehen und den typischen Seitenwandbruch anzeigen ( Pfeile ). Nur das geübte Auge erkennt diese kleinen Rechtecke, dem Musiker fällt allerhöchstens eine Unstabilität im Stimmverhalten des Basses auf. Da die Seitenwände vom Hals weggebrochen sind, bewegt sich der ganze Wirbelkasten wie eine Feder und kann dem Saitendruck nicht mehr präzise entgegenwirken. Der Bass lässt sich schlecht stimmen und verstimmt auch andauernd.
Nach dem Entfernen des Obersattels liegt das gesamte Ausmass dieses Schadens offen. Beide Kastenwände sind der Holzfaser entlang vom Hals weggebrochen. Der Wirbelkasten hält nur mehr an der dünnen Rückwand und hat den gemeinen Hang, mitten in einem Konzert mit einem lauten Knall vom Kontrabass zu brechen. Diese äusserst puplikumswirksame Aktion mag der Gesprächsstoff für die Pause werden, für den Bass und den Musiker ist das alles halb so lustig. Denn die Kosten für einen Anschäfter sind enorm ( dies wird ein Thema in einem meiner nächsten Bloggbeiträge )
Vor diesem Gau kann der Wirbelkasten aber recht einfach gerettet werden. Mit einem Druckbalken wird an der Schnecke ein Keil gesetzt und der gesamte Kasten langsam und mit Hilfe von Dampf in seine ursprüngliche Position zurückgebogen. Unnötig zu erwähnen, das hier Fingerspitzengefühl und Erfahrung vonnöten sind. Haben die Wände ihre normale Position erreicht, werden sie an den Hals zurückgeleimt. Diese Verleimung kann den Druck der Saiten aber nie halten. Die Leimfläche ist dafür viel zu klein. Aus den Resten alter Griffbretter werden deshalb mehrere Ebenholznägel gedrechselt. Etwa 6 mm im Durchmesser, halten diese Stifte eine Scherkraft von gut 100 Kg auf. Vorsichtig wird die Position gewählt und vorgebohrt. Die Masse müssen genau stimmen. Diese Bolzen dürfen nicht gehämmert werden, nur gesteckt und mit Leim fixiert. Zudem setzt man sie in einer leichten V Form ein. Diese Schränkung drückt die Kastenwände zusätzlich an den Hals und verhindert ein Losbrechen der Kastenwände nach Aussen. Hat man die Position der Ebenholzstifte sorgfältig gewählt, findet der Musiker nach der Reparatur keine Verunstaltung seines geliebten Instrumentes. Die Stifte werden von der Mechanik verdeckt. Ist dies nicht möglich, so fallen die schwarzen Punkte auch kaum auf. Hier kommt es sehr auf einen geschickten Reparateur an. Vandalismus mit Schrauben und dergleichen sind leider sehr verbreitet und entwerten das Instrument und den Pfuscher gleichermassen. Jede sorgfältige Arbeit hingegen erfreut auch kommende Generationen und erhält den Wert, den Ton und die Statik unseres gemeinsamen Freundes.
In diesem Sinne, viel Spass und bis gleich wieder mal…..Euer
Giorgio Pianzola, Kontrabassbauer
© Copyright Text und alle Fotos G. Pianzola Bern 2013