Der Kontrabass und seine Nachhaltigkeit

In letzter Zeit scheint sich in der Menschheit endlich eine Bewusstheit über die unendliche Flut von Abfall zu bilden, die wir permanent produzieren und die unser Raumschiff „Erde“, ein in sich geschlossenes, sehr komplexes und fragiles System, Tag täglich aufzunehmen und zu verdauen hat. Diese, mit zunehmender Bevölkerungszahl stetig steigende Menge an manchmal völlig sinnlosem Gekröse aus nahezu unzerstörbaren Stoffen, die zudem noch grösstenteils bloss der Verpackung von anderen Gegenständen dienen und kurz darauf einfach „entsorgt“ werden, bereiten unserer Erde immer mehr Sorgen.

Angeregt durch die aufkeimende Diskussion um diese beängstigende Flut aus „Kunststoffen“ stellt sich die Frage nach dem eigenen Grad der Verschmutzung, nach der eigenen Lupenreinheit, nach den eigenen Sünden in diesem gedankenlosen Konsum von biologisch unverdaubaren Stoffen. Wie sieht es in meinem Geschäft aus? Wieviel Abfall produziert meine Werkstatt und wie sieht es mit der Umweltverträglichkeit des Kontrabasses im Allgemeinen aus ?

Sicher ist, der Kontrabass ist ein langlebiger Bursche. Ein Alter von 100, ja gar 200 Jahren ist keine Seltenheit. Zudem ist Holz ein Naturstoff und zu 100% biologisch abbaubar. Die drei meistverwendeten Hölzer, die Fichte ( picea abies ) für die Decke und die Innenklötze, der Ahorn ( acer pseudoplatanus ) für den Hals, den Rücken, die Zargen und den Steg, und das harte Ebenholz ( diospyros crassiflora ) für das Griffbrett und die Sättel, manchmal auch für die Wirbel oder den Saitenhalter, sind alle nicht auf der Liste der bedrohten Arten ( Cites Liste Stand 3/2019 ) und wachsen nachweislich innert der durchschnittlichen Lebensdauer eines Kontrabasses mehrmals nach. Der verwendete Leim auf Glutin Basis ist ebenfalls zu 100% natürlich.

Auch der Bogen besteht aus einem problemlosen, allerdings geschützten Holz: dem Fernambuk ( caesalpinia echinata ). Der Handel mit diesem Holz steht unter bestimmten Auflagen, das Reisen mit einem fertigen Bogen ist allerdings frei. Sowohl die Stange aus Fernambuk, wie auch der Frosch des Bogens aus Ebenholz sind zu 100% biologisch abbaubar. Die Kleinteile aus Metall landen in der Wertstoffsammlung. Auch die Augen und der Schieber aus Perlmutt sind unbedenklich. Sie bestehen aus natürlichen Kalkverbindungen.

Der Lack kann da schon mehr Aerger bereiten. Allerdings nicht, wenn der Kontrabass mit einer fachgerechten Handlackierung verschönert ist. Die verwendeten natürlichen Harze sind erhärtete Ausflüsse aus Pflanzen und beinhalten in dieser Konzentration keine bedenklichen Stoffe. Das Lösungsmittel ist Alkohol und der ist in jedem Aggregatzustand umweltverträglich. Leider werden immer mehr Kontrabässe mit 2 Komponenten Lacken oder Nitrocellulose Lackierungen versprayt und diese, auch in der Möbelindustrie verwendeten Stoffe, sind biologisch nicht abbaubar und sollten deswegen nur einer geordneten Entsorgung übergeben werden.

Die Saiten eines Kontrabasses bestehen zum grössten Teil aus Chromstahl oder ähnlichen Metallen, sind gesuchte Rohstoffe und können problemlos eingeschmolzen werden. Die verschiedenen Kunststoff Variationen im Saitenbau sind allerdings eher eine Belastung und sie sollten in jedem Fall der Verbrennung zugeführt werden, da diese, in unseren Breitengraden hochentwickelte Entsorgungsform, diese Stoffe mit der geringsten Belastung zu vernichten vermag. Darm Saiten sind eh kein Problem und zu 100 % biologisch abbaubar.

Die Stimm-Mechaniken, meist aus Messing mit einer Stahlspindel, stellen kein Problem bei der Entsorgung dar. Das Metall sollte aber unbedingt der Metallsammlung zugeführt werden. Die geringen Spuren einer künstlichen Oberflächenbehandlung liegen im Mikrometer Bereich und vaporisieren beim Einschmelzen komplett. Auch der Stachel ist meistens aus Metall und sollte mit Spitze und Schraube recyclet werden. Die Korklagerung des Stachelstabes ist bedenkenlos. Die Birne des Stachels, meist aus Ebenholz, stellt auch keine Probleme dar. Der Gummizapfen, meist aus hochwertigem Kautschuk, seltener aus Kunstoff, hinterlässt in der Verbrennung am wenigsten Rückstände.

Die in den letzten Jahren sehr beliebt gewordenen Kevlar Hängelsaiten sind chemisch der Gruppe der Aramide zuzuordnen und widersetzen sich selbst in der Verbrennung hartnäckig der Zerstörung. Kevlar brennt nicht, sondern verkohlt erst ab 400 Grad Celsius. Die Stoffe, aus denen die Kontrabass Hüllen genäht werden, sind grösstenteils den Gruppen der Polyamide zuzuordnen. Bezeichnungen wie Cordura, Nylon, Dederon ( die DDR Version ) fassen meistens bloss Variationen der Hersteller zusammen. Auch diese Stoffe wie auch die Schaumpolsterungen gehören am besten in die Verbrennung und keinesfalls in die Natur.

FAZIT:
Der Kontrabass ist ein umweltfreundlicher Geselle, vorallem wenn er nach alter Väter Sitte gebaut ist und wie sein Bogen zu 100% aus Naturstoffen besteht. Seine hohe Lebenserwartung und seine geniale, analoge Konstruktion lassen ihn in Bezug auf die Nachhaltigkeit nahezu perfekt erscheinen. Zudem für einen wunderschönen Verwendungszweck, die Musik, gebaut, erhält er bei guter Pflege sogar seinen Wert und tönt mit zunehmendem Alter immer besser.

In diesem Sinne wünsche ich Allen viel Spass mit unserem gemeinsamen Freund, dem Kontrabass und bis gleich wieder mal hier, auf meinem Kontrabassblog.

Giorgio Pianzola, Kontrabassbauer

© Copyright Text Giorgio Pianzola, Bern 2019

Dieser Beitrag wurde unter In eigener Sache, Wissen abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.