Um Kontrabass zu spielen, benötigt man Kraft. Die linke Hand etwa leistet für die Dauer eines Konzertes eine wahre Parforce Tour. Auch die rechte Hand steht dem in Nichts nach. Alte Saiten und schlecht eingestellte Kontrabässe quantifizieren diesen Kraftaufwand noch ums Vielfache. All die Jahre des regelmässigen Uebens und die langen Konzerte fordern aber irgendwann mal ihren Tribut.
Eine häufige Folge dieser repetitiven Handbewegungen ist das Karpaltunnel Syndrom, in der Schweiz auch „Melkerkrankheit“ genannt. Durch den Engpass des Handgelenkes verläuft neben der Muskulatur, der Blutversorgung usw. der wichtige Nervus Medianus, dessen umliegendes Gewebe sich durch die starke Belastung zusammenzieht und so auf den Nerv drückt. Einschlafen der Hand, Kribbeln oder ein Taubheitsgefühl sind die Symptome, die zuerst meist in der Nacht auftreten.
Selten schmerzhaft, ist diese Beeinträchtigung für einen Bassisten doch über längere Zeit nicht tragbar und bringt eine Therapie keine Erleichterung, hilft eine Operation weiter. Dabei wird nur das Handgelenksband durchtrennt und somit der Druck auf den Nervus Medianus gelöst. Schon seit einiger Zeit wird dieser Eingriff ambulant durchgeführt und inzwischen zur Erleichterung des Patienten auch mikroinvasiv. Blieb früher eine Narbe von ca 5 cm und einigen Nähstichen, ist es heute eine Narbe von knapp 1 cm. Beide Techniken sind problemlos und verheilen ausgezeichnet.
Ich habe mit vielen Bassisten über dieses Syndrom gesprochen, Profis und Amateuren, Beginnern und alten Hasen, doch alle waren sich einig, dass diese Operation eine Erlösung war. Samuel Joss und Michel Poffet, zwei erfahrene Profibassisten, haben sich freundlicherweise zur Verfügung gestellt, um über ihre Erfahrungen zu berichten:
Samuel Joss, 57 Jahre alt, Profibassist seit 35 Jahren, liess die Operation schon 2004 machen, nachdem er 25 Jahre lang die Taubheitsgefühle in seiner linken Hand ausgehalten hatte und auch eine Physiotherapie keine Erleichterung brachte. Die Operation dauerte nur 15 Minuten, nach zwei Stunden konnte er die Praxis verlassen, nach 4 Wochen fing er wieder an zu üben und schon eine Woche später spielte er ein Konzert. Auf dem Foto rechts sieht man schwach eine 5 cm lange Narbe mit 5 Stichen genäht und ausgezeichnet verheilt. Seit 2004 hat er keine Beschwerden mehr und kann die Operation sehr empfehlen.
Michel Poffet, 60 Jahre alt, Profibassist seit 40 Jahren, liess die Operation 2001 an seiner linken Hand machen, nachdem er seit 10 Jahren zunehmend ein taubes und bisweilen auch schmerzhaftes Gefühl ertrug. Seine Operation erfolgte mikroinvasiv, dauert 10 Minuten und wurde ambulant durchgeführt. Nach 4 Stunden war er wieder zu Hause, pausierte für 6 Wochen und arbeitete dann normal weiter. Nur bei sehr starken Belastungen berichtet er von seltenen und schwachen Symptomen. Seine Hand zeigt an der Handwurzel eine praktisch nicht mehr sichtbare Narbe von nur 1 cm Länge, ausgezeichnet verheilt. Auch er empfiehlt die Operation uneingeschränkt.
Alle Bassisten, mit denen ich gesprochen habe, bestätigen den Zusammenhang mit dem Kontrabass Spiel und den genannten Symptomen. Dieser Kraftaufwand liesse sich aber erheblich reduzieren, wenn man sein Instrument perfekt einstellen lässt und regelmässig neu besaitet. Ich werde in einem weiteren Artikel eine Messung vorstellen, mit der ich den Unterschied dieser Arbeiten beweisen werde. Einige dieser Erkrankungen liessen sich damit vermeiden und somit das Schönste auf dieser Welt, das Kontrabass Spiel, wieder beschwerdefrei ausüben.
In diesem Sinne, viel Spass und bis gleich wieder mal hier auf meinem Kontrabassblog,
Giorgio Pianzola, Kontrabassbauer
© Copyright Text und Handfotos, G. Pianzola
Medizinische Grafik der Hand mit freundlicher Genehmigung von Dr. Daniel Münch, www.muench.ch
Mit bestem Dank an Samuel Joss samueljoss.ch
und Michel Poffet www.poffet.com für Ihre Zeit und Ihre Auskunft.
Ich danke allen Bassisten für ihre Mitarbeit an meiner Befragung.