Vandalismus pur

Bei der Restauration alter Musikinstrumente trifft man auf so Einiges. Die vielen Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Spuren von geschickten Händen und guten Reparaturen, aber auch Spuren von Vandalen und Pfuscher. In den vielen Jahren meiner Tätigkeit als Restaurateur habe ich einige bizarre Sachen gesehen. Was mir aber letzte Woche unter die Augen kam, war das bis jetzt wirklich Unglaublichste, was ich je erlebt habe.

Holzschraube M12x180, durchgebrochen !

Holzschraube M12x180, durchgebrochen !

Ich kaufte einen Kontrabass, der von seiner Grundsubstanz eigentlich sehr gut erschien und einer Restauration auf jeden Fall würdig. Ich bemerkte schon vor dem Kauf die Problemstelle Halsansatz / Korpus. Aber da haben die meisten Bässe über die Jahrhunderte Probleme, das ist nichts Neues. Nach Ablösen des Griffbrettes entdeckte ich als Erstes eine riesige Schraube. Die Schraube war aber schon durchgebrochen, denn Sie kann den Zug auf die Dauer nicht aushalten.
Autospachtel als Holzersatz ! Schrecklich !

Autospachtel als Holzersatz ! Schrecklich !

Der Halsfuss war mit einem seltsam deckenden Lack kaschiert. Unter unzähligen Schichten von Farben entdeckte ich eine Substanz, die ich bisher noch nie angetroffen hatte. Zumindest nicht im Geigenbau: „Autospachtel“ !?! Der Halsfuss bestand aus mehreren rohen Stücken, die alle mit Autospachtel verbunden waren. Doch damit nicht genug. Dieser Schock war erst der Anfang.

Ein Bett aus Autospachtel !!!

Ein Bett aus Autospachtel !!!

Nach vorsichtigem Herauslösen des Halsfusses aus dem Halsschuh zeigte sich das ganze Ausmass dieses Pfusches. Der Hals stand bis zum Knöchel in einem Meer aus dieser Masse, die man in der Autobranche als Spachtelmasse für Karosserien braucht. Bis tief in den Bass war diese Epoxydflüssigkeit gedrungen und ich holte mehr als ein Kilo an steinharter Splitter dieser völlig ungeeigneten Masse aus dem alten Kontrabass heraus. Traurig, wie hier ein wirklich schöner Kontrabass aus der Blütezeit des oesterreichischen Geigenbaues geschändet wurde. Nicht nur hielt dieser Pfusch dem Saitenzug nicht lange stand. Nein, er verunmöglichte auch eine fachgerechte Reparatur. Sowohl der Halsklotz wie der Hals mussten komplett ausgewechselt werden, um eine saubere Restauration auszuführen.
Nägel gehören nicht in den Kontrabass !

Nägel gehören nicht in den Kontrabass !


Leider ist das kein Einzelfall. Fast in jedem aelteren Kontrabass entdeckt man fragwürdige Praktiken. Hier die Reste eines Oberklotzes aus einem sehr alten Bass. Jemand hat den Rücken kurzerhand mit einem Dutzend Nägel auf den Klotz gehauen. Unnötig zu sagen, das er bei dieser Aktion mehrere Male den Nagel verfehlt hat und voll in den schönen Ahorn geschlagen hat. Links auf dem selben Foto sieht man eine grosse Träne von Epoxyd Leim, mit dem die fehlende Haftkraft der Nägel korrigiert werden sollte.

Leim, Leim, Leim, Leim, und nochmals Leim !

Leim, Leim, Leim, Leim, und nochmals Leim !


Im Innern des Kontrabasses zeigt sich ein Sammelsurium an verschiedenen Leimen. Alle grossen Marken und Sorten sind hier vertreten und das in rauhen Mengen. Zu meiner Beruhigung hat sich keiner dieser Reparateure den Aufwand gemacht, den alten Leim vorher auszuwaschen und hat einfach viel neuen Leim in den Riss gedrückt, in der Hoffnung, es halte dann schon irgendwie. So ist die Haftkraft zwischen den einzelnen Schichten sehr schlecht und erleichtert das Entfernen.

Denn es gibt nur einen Leim, den man im Geigenbau verwenden kann und darf: Perlleim! Dieser Leim kann immer wieder ausgewaschen werden und ermöglicht so immer wieder die Reparatur eines Streichinstrumentes über die Jahrhunderte hinaus. Kunstharzleime, Sekundenkleber, Epoxydharze usw. gehören NICHT in ein Streichinstrument. Es mögen gute Leime sein, sie sind aber im Geigenbau völlig fehl am Platz. Das gilt auch für Nägel und Schrauben. Bitte helft mit, die schönen Werke des alten Handwerks für spätere Generationen zu erhalten und verweigert Euch solchem Pfusch.

In diesem Sinne, viel Spass und bis bald…. Euer

Giorgio Pianzola, Kontrabassbauer

© Copyright Text und Fotos G. Pianzola Bern 2011

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